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Was ist das Problem
mit dem aktuellen Abrechnungssystem?

Was könnte gegen
eine Veränderung sprechen?

Thema 2:

Keine Profite mit Krankenhäusern!

BunteKittel nimmt an der Abstimmung21 teil

 

Die Abstimmung21 beginnt. Vier Themen wurden in den letzten Wochen auf unabhängigen online-Plattformen ausgewählt und starten in die erste selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung. Dank Eurer Unterstützung ist die Petition „Keine Profite mit Krankenhäusern“ eines der Abstimmungsthemen geworden.

Wir freuen uns sehr und sind der festen Überzeugung, auf diesem Weg substanzielle und notwendige Verbesserungen für Patient*innen und alle Berufsgruppen im Krankenhaus erwirken zu können.

 

Es wurden insgesamt vier Abstimmungsthemen gefunden und anschließend Abstimmungsunterlagen erarbeitet, die neben Hintergrundinformationen und den Forderungen auch Pro- und Kontra Argumente aufführen.

In den Monaten bis zur Bundestagswahl wollen wir mit Euch in den sozialen Medien, bei online-Treffen und hoffentlich im Sommer auch in vielen Kliniken, Biergärten und im Straßenwahlkampf über unsere Ideen diskutieren. Und natürlich werben wir um Eure Unterstützung und Mithilfe. Gemeinsam können wir ein besseres Gesundheitssystem schaffen!

 

Vier Abstimmungsthemen - Vier Herausforderungen für die Politik:

Als bundesweit angelegte Volksabstimmung ist der Adressat der Deutsche Bundestag. Abstimmung21 führt daher in den Abstimmungsunterlagen die Positionen sämtlicher im aktuellen Parlament vertretenen Parteien auf. In der Konsequenz wird auch die Position der AFD zu unserem Thema erwähnt.

Es ist uns wichtig schon zu Beginn der Abstimmung eine klare Grenze zu ziehen und einem möglichen Missverständnis vorzubeugen:

Wir lehnen die AFD mit ihrer Haltung, ihrer Ideologie und ihrem Auftreten grundsätzlich ab. Es wird niemals eine Zusammenarbeit oder Gespräche mit dieser Partei geben.

 

BunteKittel wurde als Zusammenschluss aller Berufsgruppen im Krankenhaus gegründet. Wir stehen für Vielfalt und ein solidarisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Glaubensrichtungen, sexueller Orientierungen/Identitäten im Krankenhaus und in der Gesellschaft.

 

Keine Profite mit Krankenhäusern! Die Abstimmung21 startet. Und es bleiben 4 Monate Zeit. Nach Jahren der Profitorientierung und des politischen Stillstands in der Krankenhauspolitik wird es Zeit für einen Aufbruch hin zu einem gemeinwohlorientierten Krankenhaussystem. Dafür wollen wir werben und streiten. Werde auch Du Teil der Bewegung.

 

Euer BunteKittel-Team

PRO

PRO-Argumente

1. Im jetzigen System werden durch wirtschaftlichen Druck Prozeduren durchgeführt, die nicht zwingend notwendig sind und ohne Aussicht auf Gesundung manchmal sogar das Leiden verlängern. Bereiche werden ausgebaut, die Gewinn bringen wie Wirbelsäulenchirurgie, und andere abgebaut, die keinen Gewinn versprechen wie z.B die Kinderheilkunde. Dadurch entstehen in einzelnen Bereichen regional Überangebote.

 

 

2. Ein gemeinwohlorientiertes Finanzierungsmodell gibt medizinischem und pflegerischem Personal die Freiheit zurück, ohne wirtschaftlichen Druck diagnostische, therapeutische und pflegerische Entscheidungen zu treffen. Das Wohl der Patientinnen und Patienten ist oberstes Ziel.

 

 

3. Durch eine hohe Anzahl an Patientinnen und Patienten mit kürzerer Liegezeit lassen sich derzeit besser Profite erwirtschaften. Das führt zu vorzeitigen Entlassungen, kurzfristig notwendigen Wiederaufnahmen und Kostenverlagerungen in Rehakliniken. Außerdem werden manche Eingriffe von vornherein als zwei Termine geplant, da besser abrechenbar.

 

 

4. Zur Gewinnmaximierung wird Pflegepersonal so weit eingespart, dass eine Pflegekraft im Tagdienst im Durchschnitt fünf Patientinnen oder Patienten mehr versorgt als in anderen europäischen Ländern. Damit steigt die Sterblichkeit der zu Versorgenden. Auch Reinigungs- und Küchenpersonal wird eingespart, so dass deren Aufgaben teilweise auf Pflegepersonal übertragen oder ausgelagert werden.

 

 

5. Die Regulierungen des DRG-Systems sind mittlerweile so komplex, dass selbst führende Akteurinnen und Akteure des DRG-Systems den Überblick verlieren. Seit Jahren verstärkt sich der Eindruck eines höchst intransparenten Systems.

CONTRA

CONTRA-Argumente
und Erwiderungen

1. Ein Wettbewerb zwischen Krankenhäusern kann Anreize zur Spezialisierung der medizinischen Versorgung bieten.

 

Der Wettbewerb zwischen Krankenhäusern wird durch finanzielle Fehlanreize gesteuert. Somit ist nicht die Spezialisierung mit Verbesserung der medizinischen Qualität erstrebenswert, sondern eine Spezialisierung auf möglichst lukrative Fachbereiche (z.B. Wirbelsäulenchirurgie). 

Das bedeutet:

  1. kleine Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung müssen schließen (zu teuer)

  2. Abbau nicht lukrativer Abteilungen (z.B. Kinderheilkunde)

  3. regionales Überangebot lukrativer Prozeduren (z.B. Wirbelsäulenchirurgie) 

  4. Interessenkonflikt der Krankenhaus-Mitarbeiter zwischen Patientenwohl und ökonomischen Zielen

  5. keine oder schlechte Ausbildung des Fachpersonals (zu teuer)

 

Links:

https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/index.php?get=download&cfilename=BRwTBQoFUFcdcng8SkcIEBUsIgoEGFhYbXtCDEpQAREEAQE0VFoDAxxJVAU%3D

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_196_2020.pdf

2. “In Ballungsräumen sorgt der Wettbewerb für mehr berufliche Auswahlmöglichkeiten der Angestellten.”

 

1. In einem auf Gemeinwohl ausgerichteten Gesundheitssystem sollte kein Wettbewerb herrschen, sondern die Versorgung der Patient*innen nach den besten und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Vordergrund stehen. Dafür muss die Finanzierung durch Staat und Krankenkassen  geregelt sein: In Bildung, Equipment, Personal aller Fachbereiche und präventive Versorgung muss investiert werden - besonders vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft und einer längst überfälligen besseren Bezahlung für im Gesundheitssystem beschäftigte Menschen.

 

2. Die Auswahlmöglichkeiten werden nicht durch Wettbewerb größer, sondern durch Forschung und Wissenschaft mit dem Ziel einer spezialisierteren Medizin.

 

3. Durch wirtschaftlichen Druck und finanzielle Fehlanreize werden das Krankenhaussterben und die Versorgungsengpässe in ländlichen Regionen angefeuert, da das Gesundheitspersonal wegzieht.



3. “Krankenhäuser können durch das Fallpauschalen-System (DRG) eigenverantwortlich, effizient und ressourcenschonend wirtschaften. Leistungen, Kosten und Erlöse sind besser sichtbar.”

 

1. Das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr Patient*innen müssen von immer weniger Personal in immer kürzerer Zeit behandelt werden.  Denn in das DRG-System gehen weder die Strukturqualität (personelle und sachliche Ausstattung) noch die Prozessqualität (wie gut etwas gemacht wurde) oder die Ergebnisqualität (mit welchem Ergebnis behandelt wurde) ein. Da Krankenhauskosten zu fast zwei Dritteln aus Personalkosten bestehen, bedeutet das Kosteneinsparung mittels Personalkürzungen. Die Anzahl der zu behandelnden Patient*innen wird gesteigert, während die durchschnittliche Krankenhausverweildauer und die gesamte Bettenzahl sinken. Beispiel: In Deutschland betreute eine Pflegekraft 2012 im Schnitt 13 Patient*innen und somit 5 Patienten mehr als in anderen europäischen Ländern.

 

2. Das DRG-System begünstigt eine fortschreitende Privatisierung der Krankenhäuser, so dass es seit 2010 mehr private als öffentliche Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland gibt. Das Resultat: Die Gewinne privater Krankenhausträger und Klinikkonzerne werden auf dem Rücken von Mitarbeiter*innen und Patient*innen erzielt und nach dem Solidaritätsprinzip aus Krankenversicherungsbeiträgen finanziert, um schließlich als Dividende an Aktionäre ausgezahlt zu werden. 

 

3. Das DRG-System setzt ökonomische Fehlanreize - Beispiel:

Die konservative Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms (langwierige und aufwändige Behandlung mit Ruhigstellung, Wundbehandlung, Prophylaxe und Behandlung möglicher Infektionen, konsequente medikamentöse Therapie der Grunderkrankung etc.) bringt rund 2.600€. 

Im Vergleich: Eine chirurgische Behandlung, also eine Amputation, erbringt bei deutlich geringerem Aufwand einen Erlös von ca. 10.600€.

 

Links:

https://www.bmj.com/content/344/bmj.e1717.long

https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/index.php?get=download&cfilename=BRwTBQoFUFcdcng8SkcIEBUsIgoEGFhYbXtCDEpQAREEAQE0VFoDAxxJVAU%3D

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_196_2020.pdf

https://www.aerzteblatt.de/archiv/210376/Periphere-arterielle-Verschlusskrankheit-Amputationsrate-ist-ein-Desaster

 

4. Das Abbilden von Prozeduren im DRG-System hat zu mehr Transparenz der Leistungen der einzelnen Krankenhäuser geführt.


1. Medizinische Diagnosen werden anhand von sog. ICD-Codes (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und Prozeduren anhand des OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) definiert. Hierdurch wurde durch bessere Dokumentation die angestrebte Leistungstransparenz erreicht und nicht durch das DRG-System. Das DRG-System ordnet Menschen wiederum in Fallgruppen ein, die u.a. nach Hauptdiagnose, Nebendiagnose sowie Prozeduren gebildet werden. 

 

2. Im Rahmen des DRG-Systems unterliegt die Anwendung der ICD-Codes und des OPS den ökonomischen Interessen der Krankenhäuser. Darunter leiden die Vertrauenswürdigkeit der kodierten Diagnosen und Prozeduren und folglich auch die Transparenz der erbrachten Leistungen. 


3. Die Komplexität einer Krankenhausbehandlung wird vom DRG-System nur unzureichend abgebildet - für die Versorgungsqualität wichtige Leistungen wie z.B. pflegerische Maßnahmen, „sprechende Medizin“ oder die Ausbildung von medizinischem Personal können nicht adäquat abgerechnet werden.

 

Link:

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_196_2020.pdf

5. Eine kürzere Liegezeit ist nicht zwangsläufig negativ zu bewerten und kann auch im Sinne der Patientinnen und Patienten sein. Im vorherigen Finanzierungssystem wurde z.B. jeder Behandlungstag pauschal vergütet, was wiederum zu einem Fehlanreiz mit unnötig langen Liegezeiten führte.


1. Bereits vor der Einführung des DRG-Systems kam es zu einem Rückgang der durchschnittlichen Krankenhausverweildauer. In den Jahren 1970-1985 ist die Verweildauer in allen Krankenhäusern um 30% gesunken. In allgemeinen Krankenhäusern ging die Krankenhausverweildauer in den Jahren 1992-2001 im Schnitt um jährlich 3,6% zurück. Nach Einführung des DRG-Systems (2004) zeigte sich ein Rückgang von 1,7% in den Jahren 2005- 2017. 


2. Im DRG-System wird für jede Fallgruppe eine untere-, mittlere- und obere Grenzverweildauer (GVD) definiert, die mittels Stichproben aus Krankenhäusern ermittelt wird. Bei Unterschreiten der unteren GVD wird der Erlös gekürzt, bei Überschreiten der oberen GVD gibt es einen täglichen Zuschlag, der aber nicht kostendeckend ist. Somit ist nur eine möglichst kurze mittlere Grenzverweildauer rentabel, damit schnell ein*e neue Patient*in aufgenommen und abgerechnet werden kann. Dies bedeutet:

  • vorzeitige “blutige” Entlassungen

  • kurzfristig notfallmäßige Wiederaufnahmen 

  • „zweizeitig” geplante Eingriffe mit gesplitteten Aufenthalten

  • Kostenverlagerung in Rehakliniken

 

Links:

https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/index.php?get=download&cfilename=BRwTBQoFUFcdcng8SkcIEBUsIgoEGFhYbXtCDEpQAREEAQE0VFoDAxxJVAU%3D

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_196_2020.pdf

https://www.aerzteblatt.de/archiv/53507/Auswirkungen-der-DRG-Einfuehrung-Die-oekonomische-Logik-wird-zum-Mass-der-

Dinge

https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=55105


 

6. Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen können auch auf die Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur zurückgeführt werden - mit mehr älteren Menschen, höherer Lebenserwartung chronisch Erkrankter sowie mehr Therapieoptionen.


1. Im Vergleich zu anderen Ländern mit vergleichbarer Bevölkerungsstruktur gibt Deutschland deutlich mehr Geld für sein Gesundheitssystem aus. Doch die Mehrausgaben sind auf eine unverhältnismäßige monetäre Abbildung einzelner Prozeduren und Therapien zurückzuführen. Im Vergleich von Morbidität und Mortalität schneidet Deutschland nicht besser ab. Heißt: Lukrative invasive Eingriffe im Vergleich mit wenig Geld einbringenden z.B. konservativen Maßnahmen bringen nicht zwangsläufig bessere Ergebnisse.


2. Da Krankenhäuser durch das DRG-System gezwungen sind, wirtschaftlich zu arbeiten, sind die Anreize für Geld einbringende und somit für die Versicherten teurere Therapien und Maßnahmen gewichtiger als die einer zufriedenstellenden Gesundheitsversorgung.

 

Link:

https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Gesundheit/Gesundheitsausgaben.html

https://www.aerzteblatt.de/archiv/210376/Periphere-arterielle-Verschlusskrankheit-Amputationsrate-ist-ein-Desaste

 

 

7. Eine komplette Umstrukturierung des Krankenhausfinanzierungssystems ist sehr kostenaufwändig, fordert große Investitionen und strukturelle Veränderungen. Die Kosten hierfür müssen aus Steuergeldern finanziert werden.


1. Dem gegenüber stehen die Kosten des aktuellen Krankenhausfinanzierungssystems, in dem Krankenhausbetreiber und deren Aktionäre die Gewinne abschöpfen – Gewinne die aus Krankenversicherungsbeiträgen nach dem Solidaritätsprinzip finanziert werden. 


2. Ein gemeinwohlorientiertes Krankenhausfinanzierungssystem mit Verbot von Profiten und Pflicht zur Reinvestition finanzieller Überschüsse würde langfristig zu einer Reduzierung der Gesamtkosten führen bei verbesserter Versorgungsqualität. 


3. Durch mehr Fokus auf eine bessere Gesundheitsbildung und Prävention (welche im DRG-System nicht gewürdigt wird) kann eine bessere allgemeine Gesundheit und somit eine Reduktion von Krankheit und Krankenhauskosten erreicht werden.




 

8. Das Fallpauschalen-System (DRG) ist ein “lernendes System”. Fehlentwicklungen können durch Reformen beseitigt werden.

 

1. Alleine die Tatsache, dass immer wieder nachgebessert werden muss, spricht gegen das DRG-System. Die bestehenden Fehlanreize werden immer weitere Reformen notwendig machen, denn bereits der Grundgedanke des DRG-Systems, Krankenhäuser mit marktwirtschaftlichen Unternehmen gleichzusetzen, ist falsch.


2. Durch wiederholte Nachbesserungen ist das DRG-System mittlerweile so unübersichtlich geworden, dass selbst ausgewiesene Experten Schwierigkeiten haben.

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